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Digitale Innovation

Pro und Kontra von Betrieblichem Vorschlagswesen erklärt an Beispielen

17.11.2014
Foto von puyol5 https://www.flickr.com/photos/puyol5/3685691584/ (CC)

Wir von WE THINQ arbeiten mit Offener Innovation (Open Innovation), um neue Ideen für andere aber auch für unser eigenes Unternehmen zu finden. Das war der Grund für die Entwicklung einer Ideenamangement Software.

Heute will ich mich jedoch mit einer möglichen Alternative beschäftigen, nämlich dem Betrieblichen Vorschlagswesen. Hierbei können Mitarbeiter eines Unternehmens Vorschläge für mögliche Innovationen machen.

Dementsprechend fällt das Konzept in den Bereich der geschlossenen Innovation. Hier finden die Prozesse zur Ideen- und Innovationsfindung innerhalb einer Organisation statt. Externe Elemente wie Kunden, potentielle Kunden, Lieferanten, Partnerunternehmen, Experten oder Institutionen (zum Beispiel Universitäten) nehmen so nicht am Innovationsprozess teil.

Muss leider sein: Definitionen und Begriffe

Zunächst will ich geschlossene Innovation und die dazugehörigen Begrifflichkeiten (inklusive des Betrieblichen Vorschlagswesens) genauer definieren. Den dazugehörigen Begriffsungetümen sieht man schon an, dass diese Konzepte aus einer völlig anderen Ära der Betriebswirtschaft stammen: Alles ist sehr formelhaft strukturiert – so einfach ist es aber in der Realität nicht. Doch schauen wir uns erst mal die klassischen Definitionen an:

Innovationsprozesse, an denen alle internen Ressourcen einer Organisationen beteiligt sind, nennt man Ideenmanagement. Darunter fallen etwa Systeme, bei denen alle Mitarbeiter eines Unternehmens zur Innovation beitragen können. Ist dagegen nur eine einzelne Abteilung für Innovation zuständig, würde man das nicht unter Ideenmanagement fassen.

Ideenmanagement wiederum ist unterteilt in zwei Prozesse: Der kontinuierliche Verbesserungsprozess und das schon angekündigte Betriebliche Vorschlagswesen.

Beim Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) ist die Ideenfindung relativ stark strukturiert: Die Mitarbeiter arbeiten in Teams, die durch eine Teamleitung moderiert werden. Die einzelnen Schritte und Abläufe folgen einem bestimmten Muster.

Das Betriebliche Vorschlagswesen (BVW) dagegen zeichnet sich durch spontane Ideenfindung aus. Ein klassisches Beispiel ist der Ideenbriefkasten, in den Mitarbeiter jederzeit Verbesserungsvorschläge zu jeglichen Aspekten des Unternehmens einwerfen können. Typischerweise werden gute Vorschläge mit Sach- oder Geldprämien belohnt. Rechtlich gesehen gibt es unter bestimmten Bedingungen sogar einen Anspruch auf eine Prämie, wenn der Vorschlag tatsächlich umgesetzt wird.

Wie Betriebliches Vorschlagswesen umgesetzt werden kann – vom Briefkasten und darüber hinaus

Ein Beispiel haben wir ja schon genannt:

  • Ein Ideenbriefkasten, in den Mitarbeiter jederzeit Vorschläge zu allen denkbaren Unternehmensbereichen einwerfen können – mit Namen oder anonym. In dieser Form gibt es das BVW in Deutschland schon seit über 100 Jahren.

Im Prinzip sind aber auch Innovationsprozesse, die man eher mit Open Innovation verbindet, im Betrieblichen Vorschlagswesen möglich – eingesetzt werden sie leider nur selten.

  • Ideenwettbewerbe zu konkreten oder allgemeineren Themen. Etwa ein firmeninterner Wettbewerb zu Fragen wie „Wie soll unser nächster Slogan lauten?“ oder „Wie können wir Eltern flexiblere Arbeitsmöglichkeiten bieten?“
  • Virtuelle Plattformen, auf denen Ideen gesammelt und diskutiert werden. Dabei könnte es sich um ein Forum, eine Software oder einfach nur eine E-Mail-Liste handeln.
  • Ideen-Workshops, bei denen sich Phasen von Input (z.B. Vorträge) mit kreativen Phasen, Diskussion und Feedback abwechseln.

Der einzige Unterschied zur offenen Innovation ist hier, dass beim BVW nur Mitarbeiter teilnehmen, während bei Open Innovation auch und insbesondere Menschen von außerhalb des Unternehmens mitmachen – ein entscheidender Unterschied, wie wir noch sehen werden.

Vorteile des Betrieblichem Vorschlagswesens

  1. Es motiviert die Mitarbeiter. Allerdings nur, falls der Einsatz auch angemessen belohnt und anerkannt wird. Ansonsten fühlen sich die Mitarbeiter schnell ausgenutzt. Dabei ist festzuhalten, dass die Anerkennung und Wertschätzung der Leistung sogar wichtiger ist als materielle Belohnungen.
  2. Methoden und Maßnahmen zum BVW (zum Beispiel ein Wettbewerb) sind firmenintern sehr einfach und ohne große Kosten bekannt zu machen. Im einfachsten Fall genügt eine Email an alle Mitarbeiter.
  3. Wenn Gruppen über ihre Ideen diskutieren und gemeinsam Lösungen erarbeiten, wird der Zusammenhalt im Unternehmen gefördert.
  4. Die Bindung und Treue ans Unternehmen wird gestärkt. Denn durch Betriebliches Vorschlagswesen bekommen Angestellte das Gefühl, direkt zum Erfolg des Unternehmens beizutragen. Zudem fühlen sie, dass sie ein wichtiger Teil eines großen Ganzen sind.
  5. Da Ideenfindung quasi immer und überall stattfinden kann, lassen sich mit BVW Leerläufe füllen, die unvorhergesehen entstanden sind.

Für all diese Punkte muss ein solches “Verbesserungsvorschlagswesen” natürlich richtig durchgeführt werden. Die Mitarbeiter dürfen selbstverständlich nicht unter Druck gesetzt werden oder für schlechte Vorschläge gemaßregelt oder kritisiert werden.

Nachteile des Betrieblichen Vorschlagswesens

So lange es korrekt angewendet wird, hat das Betriebliche Vorschlagswesen an sich zunächst einmal keine Nachteile. Der Organisationsaufwand ist minimal und die Kosten für einen Ideenbriefkasten halten sich doch stark in Grenzen. Wenn es also nur um die Frage geht „BVW – ja oder nein?“ muss die Antwort Ja lauten.

Allerdings will ich Betriebliches Vorschlagswesen in diesem Artikel mit Offener Innovation vergleichen, und unter diesem Aspekt zeigen sich durchaus einige Nachteile:

  1. Mitarbeiter sind immer schon geprägt von den bisherigen Abläufen und Vorstellungen eines Unternehmens. Wirklich kreativ und innovativ zu denken, ist für sie viel schwieriger als für Außenstehende.
  2. Beim Betrieblichen Vorschlagswesen bringen weniger Menschen ihre Ideen ein als bei offener Innovation (es sei denn, die Open Innovation scheitert an schlechtem Marketing). So ist schon rein statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit höher, dass gute Ideen dabei sind.
  3. Externe Perspektiven, wie etwa die Sichtweise der Kunden, können durch BVW nur indirekt berücksichtigt werden.
  4. Da nur wenige Ideen wirklich umgesetzt werden, kommt es ständig zu Enttäuschungen.

Wann sollte man Betriebliches Vorschlagswesen einsetzen?

Grundsätzlich sollte in Unternehmen oder anderen Institutionen ein Klima herrschen, bei dem allen Angestellten klar ist:

  • Ich kann jederzeit eigene Vorschläge machen
  • Meine Ideen werden wertgeschätzt, auch wenn sie nicht alle umgesetzt werden können
  • Wenn eine meiner Ideen umgesetzt wird, bekomme ich dafür Anerkennung

Darüber hinaus ist es sinnvoll, für bestimmte Anliegen zusätzliche Ideensammlungen und Innovationsprozesse einzuführen. Die Frage ist nun, in welchen Fällen Betriebliches Vorschlagswesen sinnvoller ist und für welche Problemstellungen sich eher Offene Innovation anbietet.

Sie haben oben schon bemerkt: Praktisch alle Vorteile des Betrieblichen Vorschlagswesens beziehen sich auf firmeninterne Verhältnisse (Motivation der Mitarbeiter, Bindung ans Unternehmen…). Dementsprechend bieten sich vor allem firmeninterne Fragen und Probleme zur Ideenfindung mittels BVW an. Hier können die Mitarbeiter ihre Erfahrungen und ihr Wissen sehr sinnvoll einsetzen.

Beispiele für Fragestellungen, die mit Betrieblichem Vorschlagswesen am besten gelöst werden können:

  • Wie kann der Arbeitsplatz besser gestaltet werden?
  • Wie könnten flexible Arbeitszeiten für Eltern aussehen?
  • Wie können Feedback-Prozesse optimiert werden?
  • Wie sollte der Essensplan der Kantine gestaltet sein?
  • Wie können wir Papier sparen?

Tun Sie mir nur den Gefallen und stellen Sie den Mitarbeitern das Ganze als Ideenwettbewerb, Ideen-Workshop oder Ähnliches vor – der Begriff „Betriebliches Vorschlagswesen“ hört sich nämlich schon so trocken an, dass jegliche Kreativität verdorrt.

Wann man offene Innovation vorziehen sollte

Es hat sich ja schon angedeutet: Bei allen Themen, die direkt relevant für Kunden sind, kann man nichts Besseres tun, als selbige mit ins Boot zu holen – nämlich durch offene Innovation. Das betrifft insbesondere Produkte oder Dienstleistungen, die ein Unternehmen anbietet, aber auch Punkte wie Kundenservice und Marketing.

So stellen Sie nicht nur sicher, dass Innovationen im Sinne der Kunden sind, sondern stärken auch gleichzeitig Ihre Marke. Denn natürlich ist Open Innovation auch eine Form des Marketings.

Beispiele für die sinnvolle Nutzung von Offener Innovation:

  • Crowdtesting einer App
  • Ideenwettbewerb für einen neuen Werbefilm
  • Ein Open Innovation Slam, um klimafreundliche Alternativen für Stadtverkehr zu finden
  • Eine Facebookseite, auf der Kunden Ideen für neue Produktsorten posten können

Bisher habe ich mit der Unterscheidung zwischen extern und intern gearbeitet, wie man sie auch in Standardwerken zum Thema Innovation findet: Betriebliches Vorschlagswesen findet nur intern im Unternehmen statt, währen Offene Innovation auch externe Elemente mit einbezieht.

Die zentrale Schwierigkeit beim BVW ist für mich jedoch diese: Damit es hier wirklich zu einem kreativen Prozess kommt, bei dem Menschen gemeinsam an Ideen arbeiten, muss über die spontane Ideenfindung hinaus (etwa dem Zettel im Ideenbriefkasten) noch viel getan werden. Diskussion und Kollaboration sind im BVW Prozesse, die noch zusätzlich angestoßen werden müssen. Allzu oft passiert jedoch genau das nicht.

Bei offener Innovation dagegen sind die Strukturen von vornherein so angelegt, dass dadurch Kollaborationsprozesse in Gang gesetzt werden – auch firmenintern. Wenn beispielsweise ein Ideenwettbewerb für eine neue Schokoladensorte durchgeführt wird, müssen sich verschiedene Abteilungen mit den Ergebnissen auseinandersetzen: Die Abteilung für Forschung und Entwicklung muss herausfinden, welche vorgeschlagenen Sorten wie machbar sind, die Marketingabteilung überlegt, wie die Sorten beworben werden könnten und so weiter. Die von extern kommende Idee bildet hier nur den Anfang. Gerade weil die innovative Idee von außen kommt, wird intern gemeinsam und abteilungsübergreifend an der Umsetzung gearbeitet. So wird mit Open Innovation immer auch das Wissen und Lernen der Mitarbeiter gefördert.

Das ist für mich der eigentlich entscheidende Unterschied zwischen den beiden Vorgehensweisen. Bei offener Innovation ist die Kollaboration schon im Konzept mit angelegt, während das Betriebliche Vorschlagswesen in seiner klassischen Durchführung eher isoliert funktioniert, sodass für Teamwork hier noch zusätzlich gesorgt werden muss.

Fazit

Das Betriebliche Vorschlagswesen hat auf jeden Fall seine Berechtigung, so sperrig die Bezeichnung an sich auch sein mag. Wichtig ist jedoch, dass man das Konzept gründlich entstaubt. Man sollte es nicht beim einsamen Briefkasten belassen. Stattdessen können Methoden und Tools der offenen Innovation auch für das interne Ideenmanagement benutzt werden.

Außerdem ist zu beachten: Betriebliches Vorschlagswesen und Open Innovation sollten sich gegenseitig ergänzen und in geeigneten Bereichen eingesetzt werden. So bekommt ein Unternehmen Input von allen Seiten, aus dem sich am Ende die besten Ideen und innovativsten Lösungen kombinieren lassen. Denn davon profitieren letztlich auch alle: Unternehmen, Mitarbeiter und Kunden.

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